Anzahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes steigt bis 2040 auf bis zu 12 Millionen
Aktuell leben je nach Schätzung mindestens 7,2 % der Bevölkerung in Deutschland mit einer Diabetes-Erkrankung, die meisten davon mit Typ-2-Diabetes. Die Zahl der Erkrankten wird in den kommenden 2 Jahrzehnten deutlich ansteigen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ) und Robert-Koch-Institut (RKI) prognostizieren, dass in 20 Jahren bis zu 12 Millionen Menschen in Deutschland an Typ-2-Diabetes erkrankt sein könnten. Dies entspräche einem Anstieg um bis zu 77 % im Zeitraum von 2015-2040.
Daten von 65 Millionen Versicherten untersucht
Basierend auf den Daten von rund 65 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland und des Statistischen Bundesamtes veröffentlichen die DDZ-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom RKI zum ersten Mal umfangreiche Hochrechnungen zur künftigen Zahl der Typ-2-Diabetes-Fälle in Deutschland für alle Altersgruppen. In ihren Berechnungen zur Entwicklung der Fallzahlen zwischen 2015 und 2040 wurden aktuelle Entwicklungen hinsichtlich neu auftretender Fälle, steigender Lebenserwartung und abnehmender Sterberate (Mortalitätsrate) durch medizinischen Fortschritt mit einbezogen. Dadurch konnten sie die Fallzahlen exakter als in früheren Projektionsstudien berechnen.
In vorherigen Prognosen wurden entweder nur bestimmte Altersgruppen berücksichtigt oder zeitliche Entwicklungen zur Sterberate sowie zu neu auftretenden Fällen nicht mit eingerechnet. Die Berechnungen wurden im Rahmen des vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Aufbaus einer nationalen Diabetes-Surveillance durchgeführt und kürzlich in der Fachzeitschrift Diabetic Medicine veröffentlicht.
Nicht nur die Alterung der Bevölkerung beeinflusst zukünftige Fallzahlen
In der Kalkulation ergab die einfache Projektion der altersspezifischen Krankheitshäufigkeit in 2015 auf die wahrscheinliche Altersstruktur der Bevölkerung in 2040 einen Anstieg der Diabetes-Fälle um 21 % auf 8,3 Millionen.
Die Entwicklung der Altersstruktur allein zu berücksichtigen reiche nicht aus, argumentieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am DDZ und RKI. Zusätzlich müsse berücksichtigt werden, wie sich die Sterberate (Mortalitätsrate) bei Menschen mit und ohne Typ-2-Diabetes sowie die Neuerkrankungsrate (Inzidenzrate), über die Zeit verändert. Daher wurden zur Berechnung der Zahl künftiger Diabetes-Fälle erstmalig folgende Größen miteinander in Beziehung gesetzt:
Prävalenz: Die Krankheitshäufigkeit sagt aus, welcher Anteil der Menschen in Deutschland zu einem bestimmten Zeitpunkt an Diabetes erkrankt ist.
Inzidenzrate: Die Inzidenzrate gibt die Anzahl neu auftretender Diabetes-Fälle in Deutschland während einer bestimmten Zeit; beispielsweise in einem Jahr.
Mortalitätsrate: Die Sterblichkeit für Menschen mit und ohne Diabetes.
Diabetesbezogene Übersterblichkeit: Verhältnis der Sterberaten bei Menschen mit im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes.
Derzeit sind Sterberaten bei Menschen mit Diabetes auch in Deutschland noch etwa doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Diabetes. Aufgrund des medizinischen Fortschritts mit besseren Behandlungsmöglichkeiten des Diabetes und seinen Folgeerkrankungen vermutet das Forschungsteam, dass künftig weniger Menschen mit Diabetes frühzeitig sterben als das bislang der Fall war. Solche Trends sind bereits in anderen Ländern beobachtet worden.
Ganz entscheidend ist die zukünftige Entwicklung der Neuerkrankungsraten, die auch durch die Entwicklung wichtiger Diabetes-Risikofaktoren, wie etwa körperliche Inaktivität, Fehlernährung, Adipositas in der Bevölkerung bestimmt wird.
Mehr als 10 Millionen Menschen mit Diabetes in 2040
Unter Einbeziehung dieser 3 Größen und einer steigenden Lebenserwartung errechneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am DDZ mit unterschiedlichen Annahmen für die Entwicklung der Neuerkrankungsrate (Inzidenz) und der diabetesbezogenen Übersterblichkeit eine relative Zunahme der Typ-2-Diabetes-Fälle um 54 % (+ 3,8 Millionen Fälle) bis 77 % (+ 5,4 Millionen Fälle) von 2015-2040. Das bedeutet: Im Jahr 2040 werden ihren Prognosen zufolge 10,7‑12,3 Millionen Menschen von einer Typ-2-Diabetes-Erkrankung betroffen sein. Besonders stark nimmt die Zahl der älteren Menschen mit Typ-2-Diabetes zu.
Fazit: Mehrbedarf an Diabetes-Spezialisten und Präventionsmaßnahmen
Nach den Berechnungen des Forschungsteams am DDZ und RKI müssen sich Praxen und Kliniken noch mehr als bisher angenommen auf die Behandlung von älteren Menschen mit Typ-2-Diabetes einstellen. Diese Prognose erfordere mehr Expertinnen- und Expertenschulungen und die Einrichtung spezialisierter Zentren. Am stärksten, so das Fazit des Forschungsteams von DDZ und RKI, hängt die künftige Fallzahl davon ab, wie viele Menschen in den nächsten 2 Jahrzehnten tatsächlich neu an Diabetes erkranken werden. Das sei eine Größe, die durch Präventions- und Schulungsmaßnahmen positiv beeinflusst werden könne.
Sie können dabei auch selbst aktiv werden: ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und ausreichend Bewegung beugt Typ-2-Diabetes vor.